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Gedanken aus meinem Turm Nicht ernst zu nehmende Denkspiele eines Turmwächters ? |
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Deutschland Wehe dir, du suchst dir einen besser bezahlten Arbeitsplatz, dann gibt es aber Saures..... * * * Eine kleine Geschichte zum 'Sozialstaat Deutschland' und der Agentur für Arbeit. Im Frühjahr 2000 war es, als unser Karl endlich eine Aussicht auf einen besser bezahlten Arbeitsplatz erhielt. Und er war glücklich. Hatte er doch in den letzten paar Jahren fast immer nur Pech mit seinen Unternehmungen gehabt, seinen Bemühungen um ein einigermaßen vernünftiges Einkommen zu erzielen. Um sich den totalen, finanziellen Ruin und den endgültigen Abstieg in die Kanalschächte der Stadt ersparen zu können, heuerte Karl erst einmal bei einem Wachunternehmen an. Natürlich hätte er auch zum Sozialamt gehen können. Es genau so tun, wie so viele es in seiner Nachbarschaft schon seit geraumer Zeit machten. Aber nein, der Herr Karl war besessen davon, seinen Weg alleine zu gehen. Und ohne die Hand nach staatlichen Almosen ausstrecken zu wollen oder zu müssen. Vielleicht wäre er besser beraten gewesen, es so zu tun wie seine Sozialhilfenachbarn. Sicher würde er dann noch unter uns weilen. Mit dieser Wachfirma, in der er zurzeit noch arbeitete, war es ein hartes Brot. Stundenlang irgendwo stehen, wo so und so nix passiert. Durch dunkle Gänge streifen, in denen es sich nicht einmal eine Maus gemütlich machen würde. Im Sommer Tag für Tag in der prallen Sonne oder in stickigen Glashäuschen stehen oder sitzen und gegebenenfalls sich von launischen Besuchern als Idiot und Blödmann bezeichnen lassen. Alles hat unser Karl ertragen. Denn in seinem Hinterkopf spuckte immer noch die Hoffnung auf einen besseren Arbeitsplatz zu gegebener Zeit und bei besserer Bezahlung. Dass er für den Hungerlohn von 10 DM in der Stunde nicht lange arbeiten konnte, wusste er. Kostete seine Wohnung doch schon 1000 Mark. Nein, keine Luxuswohnung, nur, sie war in München. Ganze 56 qm, mit Gasöfen und defekten Fenstern. Einen Boiler im Bad und vier Treppen zu Fuß nach oben. Da heißt es Stunden schieben bis zum Umfallen. 1000 Mark Miete, 100 die Fahrkarten, 35 oder 40 Mark Telefon, die Rechtsschutzversicherung, die Fernsehgebühren, Strom, Gas und so weiter und sofort. Nun war unser Karl auch noch gewissenhaft, freundlich und umgänglich mit den Leuten. Also beschloss die Wachfirma, ihn als Aufzugführer einzusetzen. 30 Sekunden rauf, 30 Sekunden runter. Und dass siebeneinhalb Stunden am Tag. Eine halbe Stunde war Pause. Dafür gab es auch stolze 50 Pfennige mehr die Stunde. War schon ein Fortschritt. Vorsichtig hatte sich unser Karl erkundigt was in der Firma denn so möglich sei. An Bezahlung und so. Nach langem abtasten nach allen Seiten war er bei einem Spitzenlohn von 11 Mark 40 angekommen und das bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens fünfzehn Jahren. Da unser Herr Karl aber schon siebenundfünfzig Jahre alt war, konnte er sich leicht ausrechnen, dass er den Spitzenlohn in diesem Unternehmen nicht erreichen wird. Aber hin und wieder scheint der Herr ein Einsehen mit den Geschlagenen zu haben. Unser Herr Karl erspähte eine Stellenanzeige von einem großen, städtischen Unternehmen. »Das ist es«, meinte er verschmitzt. »Da kann ich die Miete, das Telefon, die Fahrkosten, die Versicherung, die Nebenkosten........«, und so weiter und so weiter. Nur hatte dieses Stellenangebot einen Hacken: Es war vorerst auf eine Saison angesetzt, also sechs Monate. Der Karl wollte es trotzdem probieren. Er wusste, dass seine Leistungen gut waren und er sich auch ohne große Probleme in neue Situationen einfügen konnte. Natürlich hatte er - wieder einmal - die leise Hoffnung, in den Betrieb ganz übernommen zu werden, um ja nicht der Arbeitslosigkeit zu verfallen. Denn wenn dir das in diesen ehemaligen 'Wirtschaftswunderland' passiert, bist du ärmer dran, als ein Penner. Vor allem im Jahr 2006 und mit Hartz IV. Doch soweit sind wir noch nicht. Unser Herr Karl kündigte also die Stelle bei der Wachfirma, verabschiedete sich vom Hungerlohn und war zuversichtlich endlich wieder einigermaßen normal leben zu können. Das mit der neuen Stelle lief recht gut. Die Kollegen waren ganz passabel, wenn auch intrigenreich und mit dem Publikum, was unser Herr Karl nun zu betreuen hatte, kam er auch zurecht. Im Gegenteil. Seine Art war etwas freundlicher, als die der alteingesessenen Mitarbeiter, was ihm natürlich nicht immer von seinen Kollegen honoriert wurde. Im Gegenteil. Sie waren schon dazu bereit ihm die Arbeit etwas zu erschweren. Aber so leicht konnte man den Karl nicht erschrecken. Er blieb bei seiner Linie, freundlich, hilfsbereit und korrekt gegenüber der Firma. Die ersten sechs Monate waren schnell vorüber. Karl hatte sich finanziell etwas erholt und es reichte sogar hin und wieder dazu, einmal zu seinen Freunden in der Stammkneipe zu gehen. Doch dann musste er sich das erste Mal arbeitslos melden. Wie sich herausstellen sollte, der Anfang vom Ende von unserem Herrn Karl. Aufgrund dessen, dass er seine 'Hungerstelle' bei der Wachfirma selber gekündigt hatte, wurde ihm vom Arbeitsamt eine sogenannte Sperrfrist auferlegt. 208 Anrechtstage auf das Arbeitslosengeld wurden ihm für diesen, für Herrn Karl äußerst sinnvollen und notwendigen Wechsel, gestrichen. Im Klartext; er wurde dafür bestraft, dass er selbst dafür sorgte, finanziell nicht noch weiter abzurutschen. Da half es dem Karl auch nicht den Leuten vom Arbeitsamt zu erklären, warum er gewechselt hatte, ja geradezu wechseln musste, um nicht zu einem Sozialfall zu werden. »Das Gesetzt schreibt es vor und wir müssen es vollziehen«, war der einzige Kommentar, den Herr Karl von den ausführenden Damen im Arbeitsamt erhielt. Dazu muss man noch wissen, dass unser Karl früher nie auf das Arbeitsamt gegangen wäre, um 'Stempelgeld' zu beantragen. Lieber hätte er Gras gefressen, als diesen Weg zu gehen. Nun, damals war er auch noch etwas jünger und es ist ihm nie schwergefallen, sofort wieder in Beschäftigung zu kommen, wenn schon einmal an einer Stelle etwas schief gelaufen war oder sich eine private Unternehmung als Fehlschlag herausgestellt hatte. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf - sicher werden die mich übernehmen - lies Herr Karl es gut sein, baute auf seine Zuversicht nicht immer Saisonarbeiter zu bleiben und richtete sich damit ein, sechs Monate zu arbeiten und die kalten sechs Monate zu Hause zu verbringen. Nun mag mancher sich denken, daß das doch eine höchst angenehme Lösung sein könnte. (Und wahrscheinlich hat auch der Gesetzgeber so gedacht.) Sechs Monate arbeiten und sechs Monate auf der faulen Haut liegen. Nur bedingt, meine lieben Leser. Denn die Realität sieht ganz anders aus. Bei Herrn Karl sah es so aus, das ihm im Jahresdurchschnitt seines Gesamteinkommens, also Lohn und Arbeitslosengeld zusammen genommen, ein täglicher Schnitt von 7 Euro und 20 Cent zum Überleben reichen musste. Natürlich, nachdem er seine festen Ausgaben beglichen hatte. Kann man da von schönen sechs Monaten reden, in denen Arbeitslosengeld bezogen wird? Sicher nicht. Da heißt es zu Hause bleiben. Eingesperrt in den eigenen vier Wänden. An sonnigen Tagen vielleicht spazieren gehen, aber ohne anschließenden Besuch im Kaffeehaus oder Brotzeit im Biergarten, oder treffen mit Freunden. Denn es könnte ja passieren, dass man von den 7 Euro 20 unversehens 5 Euro ausgeben würde. Dann ist der nächste Tag schon im Eimer, oder? Doch es kam noch dicker für unseren Herrn Karl. Staat und Kommunen zogen mit aller Gewalt die Sparbremse. Herr Karl musste sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass er nun doch nicht fest angestellt werden konnte. Er schielte schon nach allen Seiten, wo sich vielleicht eine Tür öffnen könnte. Normal ist der Karl eine treue Haut, doch unter den gegebenen Umständen war es anzuraten, Ausschau nach einer festen Arbeit zu halten. So manche Gespräche wurden geführt und schienen teils auch recht erfolgreich zu enden. Wenn jedoch das Alter unseres Herrn Karl zur Rede kam, waren alle Gespräche beendet. Das ist die momentane Auffassung unserer Arbeit gebenden Geschäftswelt. 'Die Erfahrung eines Sechzigjährigen im Kopf eines Fünfundzwanzigers'. Sicher wird man irgendwann wieder einmal davon abkommen. Aber das wird Herrn Karl nicht mehr helfen. Er schaffte also weiter in seinem städtischen Betrieb. Sechs Monate Arbeit, sechs Monate stempeln. Bis ihm die Sperrfrist erreichte. Das soll heißen; früher als vom Karl finanziell eingeplant, machte ihm das Arbeitsamt, oder wie es so schon neu heißt - Agentur für Arbeit - darauf aufmerksam, dass sie die Zahlungen einstellen. Vier Wochen früher. Vier Wochen noch bis zur Saison und das ohne Geld. Da half es auch nicht, dass Herr Karl alle Hebel in Bewegung setzte, um diese Sperrfrist wieder aufheben zu lassen. Die Antwort vom zuständigen Ressort war, es wäre verjährt und überhaupt sei es schon im Bestand. Also unantastbar. Da half nur noch abwarten. Die Zeit bis zur Saison irgendwie überbrücken und ja nicht einen Bissen zu viel verbrauchen. Man konnte ja nie wissen, wie es weiter gehen sollte. Die Zeit der Saison kam heran und nichts hatte sich gerührt. Kein Anruf »Herr Karl wir brauchen sie«, kein Hinweis, dass es mit dem Geschäft wieder losgehen kann. Nach vorsichtigen Nachfragen des Herrn Karl musste er feststellen, man hatte auch ihn 'eingespart'. Innere Verzweiflung packte unseren Herrn Karl. 'Wie die Miete bezahlen, wie überleben? Hartz IV. würde noch bleiben. Grob gesagt Sozialhilfe, nur in einem anderen Mäntelchen. Für so etwas war der Herr Karl aber nicht zu gebrauchen. Er wollte sich sein Geld selber verdienen, wollte in das soziale Gefüge - soweit das überhaupt noch existiert - eingebunden sein. Wollte für sich selber mit seiner eigenen Hände Kraft sorgen und nicht »von staatlichen Almosen leben«, wie er es immer ausdrückte. Eines Morgens fanden sie unseren Herrn Karl. Auf einer gut versteckten Parkbank saß er. Eine leere Flasche Wodka lag auf den Boden und der gerufene Notarzt konnte im ersten Moment nicht feststellen, ob der Herr Karl an dem Wodka oder an Unterkühlung zugrunde gegangen ist. Wenn sie mich fragen, liebe Leser, er ist an unserer angeblich so 'sozialen' Zeit zugrunde gegangen. An seiner 'Eigeninitiative', die ja vom Staat berechtigterweise verlangt wird. Aber wie man sieht, durch die eigenen Gesetze behindert wird. An der Sperrfrist von 208 Tagen, nur weil er sich einen Job gesucht hat, mit dem man auch überleben kann. An der plötzlich ausbrechenden Sparsucht der Kommunen und des Staates, die in den fetten Zeiten mit dem Geld herumgeschmissen haben, als würde es auf Bäumen wachsen und einfach übersehen haben für schlechte Zeiten Polster anzulegen, um dann wirklich 'sozial' handeln zu können. Ja, um zum Beispiel den Herrn Karl weiter beschäftigen zu können. Das nenne ich soziales Denken und Handeln von Politik, Staat und Kommunen. Natürlich hätte der Herr Karl auch gleich von der Sozialhilfe leben können. In seinen nun erreichten Alter sicher kein Problem. Vielleicht hätte er die Wohnung wechseln müssen. Ein paar Quadratmeter weniger. Aber sonnst hätte er seine 315 Euro auf die Hand gehabt, die Miete wäre bezahlt worden und notfalls gibt es sogar noch Gutscheine für diverse Gebrauchsgegenstände. Der Allgemeinheit wäre Herr Karl dann auf zirka 2.500,00 Euro gekommen. Aber das kam für Herrn Karl nicht infrage. Keiner kann halt über seinen Schatten springen. Und trotzdem ist es schade um den Herrn Karl. Ich wünschte mir, es gäbe mehr von solchen Leuten und mehr Einsichtige in Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Ich bin mir sicher, daß wir dann dieses Hartz IV. in Deutschland nie gebraucht hätten. Ein Staat oder eine Regierung, die nicht imstande ist ihrem Volk Arbeit und Brot zu garantieren, hat die Daseinsberechtigung verloren. (Die gesetzlichen und lebensrelevanten Punkte in dieser Geschichte sind tatsächlich, nachweisbar und keine Erfindung des Autors.) 15.02.06 In diesem Sinne liebe Nachbarn. Bis zum nächsten Mal, herzlichst ihr tomtom. Die INTER - POST © by h.g.glase |
Inhalt Felix Baumgartners Stratos - Projekt Der Himmel ist nun ausverkauft Der Sozialstaat und die Arbeitsagentur Handel, Wandel, überleben (Deutschland) Der Friedensnobelpreis und der Tod Theorie über den 11. September Gedanken am Drei-Königs-Tag 2004 Und willst du nicht mein Bruder sein |
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