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Gedanken aus meinem Turm Nicht ernst zu nehmende Denkspiele eines Turmwächters ? |
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Die Oper in unserer Zeit Wissen sie liebe Turmleser der INTER-POST, dass die Kultur bei uns nicht mehr zu den weltumspannenden Dingen, zu den notwendigen Dingen des Lebens zählt, hat sich ja vielleicht schon herumgesprochen. Sicher auch das die Opernhäuser unter notorischen Geldmangel leiden. Was mir aber nach wie vor unverständlich ist, ist die Ausstattung, die Bühnenbilder der Neuinszenierungen. Also an denen kann der Geldmangel in den Opernhäusern nicht liegen. Was uns hier hin und wieder geboten wird, kann man auch auf jeder Müllkippe zusammenlesen, die Garderobe in jedem Second Hand Shop kaufen und überhaupt: Wenn sie heute in eine der modernen Inszenierungen gehen, empfehle ich ihnen unbedingt zuvor das Libretto zu lesen. Die Geschichte des Ganzen. Denn an den Gestalten, die dort hüpfen, rennen, stehen, liegen, werden sie die Personen nicht mehr erkennen. Ja nicht einmal, ob es eine Aida oder ein Othello ist. Sie könnten die Eine für eine Hamburger Deern halten und den Anderen vielleicht für ihren Zuhälter oder für einen Stahlarbeiter aus dem Ruhrpott. Was denken sich nur die Damen und Herren, die solche Dinge auf die Bühne stellen und dabei noch glauben, sie seien volksnah, zeitnah? Ist es ein Mangel an Einsicht zu dem, was auf der Bühne, mit dem Stück tatsächlich ausgedrückt werden soll, oder ist es reine Effekthascherei? Ich bin fast geneigt, das Zweite zu glauben. Hier ein kleines Beispiel: Von einem Kultursender wurde aus der Pariser Oper 'Simone Boccanegra' von Verdi übertragen. Und es war mein Glück mir das im TV anzuschauen, denn wegen des Bühnenbildes wäre ich im Prolog schon gegangen. Die Palastmauer des Dogen, das weite Meer mit dem Sternenhimmel und sonnst überhaupt die Begrenzung des Raumes, die Orientierung für den Zuschauer, war ein sicher kostspieliger, mit Pailletten über und über bestickter Vorhang, aber kein Raum. Klopfen sie mal in höchster Verzweiflung an eine Mauer, die eigentlich ein Vorhang ist. Ist doch idiotisch, oder? Das Bühnenbild selbst hatte sich auf ein sogenanntes Wahlplakat reduziert, was auf einem Podest montiert, sich sogar drehen ließ und im zweiten Akt die schön gehobelten, nackten Latten der Konstruktion zeigte. Sehr interessant für den Zuschauer, vor allem wenn man aus der Holzbranche kommt. Kerker - oder andere, notwendige Türen waren als Bodenklappen in das fahrbare Wahlplakat eingelassen und wurden von den Sängern betätigt. Nun nehmen wir das alles einmal hin und nehmen an, sie seien ein Neuling in der Oper, einer der es auch einmal versuchen will, sich mit den Musen auseinander zusetzen. Ich bin mir sicher das Sie das Haus verlassen und von der Geschichte nichts, aber auch gar nichts mitbekommen haben. Das Einzige, was ihnen bleiben wird, ist die Musik, der Gesang. Und dieses war in der benannten Aufführung erholsam und gut. Teils mussten sich zwar die Akteure in Sitzstellungen begeben, die man als Sänger überhaupt nicht mag, weil man nach Luft ringt, doch es wurde gemeistert. Dafür meine Anerkennung. Was ich nicht verstehe, ist die Verfremdung der Charaktere durch die fast einheitliche Kleidung. Alles im Anzug, mit Fliege, mit Krawatte oder alles in Freizeitkleidung, wie frisch von der Straße. Wenn das unser Herr Verdi sehen würde; ich bin mir sicher, er dreht sich noch im Grab um und schämt sich seiner, für solche Aufführungen. Ein großer Teil der Dramaturgie liegt doch auch im visuellen, in den Momenten, wie der Zuschauer den Typ empfindet, der dort agiert und sein Bestes gibt. Wenn man aber durch die Gleichstellung der Garderobe und der Maske erst gar nicht versucht die verschiedenen Typen des Stückes heraus zuarbeiten, wird sich der Betrachter schwer tun und die Oper bleibt somit ein Ding für Eingeweihte. Und ich dachte mir, daß die neuen Inszenierungen für das breite Volk sein sollen, hab ich mich da getäuscht? Ich halte es für Effekthascherei, wenn man sich von der dramatischen Darstellung des Typs und des Bühnenbildes soweit vom Stück entfernt, das es nur noch an der Musik, aber nicht mehr an der Darstellung zu erkennen ist. Ein 'Fliegender Holländer' in einem Bürohaus dargestellt, ein 'Don Carlos' als Hurenepos aufgeführt, so etwas kann doch nur Leuten einfallen, die frisch aus der Nachtbar auf die Bühne eilen, um die soeben gemachten Erfahrungen dort dem Volk als die 'wahre Oper' zu inszenieren. Das Entstauben, meine Damen und Herren Inszenatoren, ist eine tolle und auch notwendige Sache. Wer könnte sich heute noch den 'Ring der Nibelungen' mit echten Bäumen auf der Bühne vorstellen. Das soll nicht das Thema sein. Wichtig ist es jedoch dem Stück treu zu bleiben, das Böse und das Gute dem Zuschauer ohne langes Versteckspiel zu zeigen. Dafür hat man doch die Kleidung, die Maske, um Akzente zu setzen, um den dramatischen Ablauf des Stückes für die Allgemeinheit erkenntlich zu machen. Ein Verdi wusste es, auch ein Wagner oder Mozart, aber unsere neuen Regisseure scheinen sich von dem Kitzel, der hinter der Maske, der Kleidung und Szenerie steckt, gänzlich zu verabschieden und meinen sie könnten jedem Stück neue Aspekte, ein neues Gesicht aufdrängen. In längst vergangenen Zeiten ist man zu einer Oper oder einem Singspiel gegangen, um sich zu amüsieren oder vor lauter Dramatik in Tränen auszubrechen. Heute scheint es mir, es wäre besser, wir hätten ein Rätselbuch dabei. So nach dem Motto, »Ja was sehen wir denn heute für eine Oper?« Ich mach ihnen einen Vorschlag, liebe Leser. Er wird zwar nur über den Fernseher funktionieren, aber ich will ihn trotzdem machen; lassen sie sich von der Frau, dem Freund, dem Kind eine Neuinszenierung aussuchen, drehen sie den Ton ab und versuchen sie aufgrund der Bilder zu erraten, in welcher Oper sie sich befinden. Wetten, dass sie von zehn Aufführungen gerade mal zwei erraten? Wenn sie Glück haben! Hoch lebe die 'moderne Oper' oder was? 24.05.2006 In diesem Sinne liebe Nachbarn. Bis zum nächsten Mal, herzlichst ihr tomtom. Die INTER - POST © by h.g.glase |
Inhalt Felix Baumgartners Stratos - Projekt Der Himmel ist nun ausverkauft Die Oper in unserer Zeit Der Sozialstaat und die Arbeitsagentur Handel, Wandel, überleben (Deutschland) Der Friedensnobelpreis und der Tot Theorie über den 11. September Gedanken am Drei-Königs-Tag 2004 Und willst du nicht mein Bruder sein |
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