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Betrachtungen zur momentanen Weltsituation und deren Macher, die Politiker.


Das Märchen vom Kornbauern Raffigayl.

© by h.g. glase

Ein furchtbar wahres Märchen aus dem 21. Jahrhundert

Weit ab von der Stadt des Goldes, der Diktatur der Aktien und der Demokratie der freien Entscheidung zum Leben oder Sterben, lebte Bauer Raffigayl mit seiner Familie und den sieben Kindern im Einklang mit sich und der Natur. Man war nicht reich, nicht so reich wie die Leute in der Goldenen Stadt, doch arm waren sie auch nicht, die Raffigayl`s. Die Kinder waren gut genährt, das Feld gut bestellt, seine Beate noch eine begehrenswerte Frau. Alles wäre gut gewesen und geblieben, wenn nicht in Bauer Raffigayl die Unzufriedenheit hoch gestiegen wäre. Aus einen nicht zu erklärenden Grund heraus, bohrte der Gedanke in ihm, ob es nicht doch noch besser gehen könnte. Der Abstand zwischen ihm und den Leuten der Goldenen Stadt schien ihm einfach zu groß, zu ungerecht. Nächte lang grübelte er was zu tun sei, um genau so reich und anerkannt zu sein wie eben die Leute von der Stadt. Er zermarterte sich den Kopf, konnte aber zu einem Entschluss nicht gelangen. Es näherte sich die Zeit der Saat. Ein neues Erntejahr stand vor der Tür, und da die anderen Jahre recht zufriedenstellend vergangen waren, sah er keinen Grund in diesem Jahr etwas zu verändern. Bis eines schönen Morgens ein großer Wagen vor seinem Hof anhielt. Neugierig rannten die Kinder hinaus um den prächtigen Wagen und den 'Herrn' , der aus dem Gefährt ausstieg, zu begutachten. Er hielt drei Beutel in der Hand. Einer hing schlaff herunter und war anscheinend leer. Doch die anderen zwei waren prall gefüllt. Der Eine mit Kornähren und der Andere mit Korn. Neugierig geworden kam Raffigayl zu dem Fremden und bestaunte die prall gefüllten Ähren und die überaus große und gesunde Körnung des Korns. Noch nie hatte er so einen prächtigen Wuchs gesehen, noch nie ein so gesundes Getreide. Raffigayl fragte natürlich, wo so gutes Korn wachse und ob der Fremde ihm vielleicht etwas von dem Saatgut verkaufen möchte. Der fremde Herr lachte sanftmütig, hob die zwei Beutel hoch, stellte sie auf einen Tisch und meinte, »du bekommst diese Saat, die dich reich machen wird. Denn noch nie hat dein Acker soviel Getreide hervor gebracht und noch nie hattest du so wenig Mühe damit. Nicht einmal das Unkraut traut sich bei diesem Getreide zu wachsen. Schädliche Käfer nehmen Reisaus und lästige Pilze, die das Korn verderben könnten, entstehen erst gar nicht.« Mit Bewunderung lies Bauer Raffigayl das Korn durch seine Hände rieseln. 'Der kommt mir gerade richtig', dachte er im Stillen, 'jetzt werde ich wirklich reich, werde wirklich ein angesehener Mann werden. Sie müssen mich einfach aufgrund meines Reichtums achten. Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig'. »Was verlangst du als Preis für die zwei Beutel?«, fragte er nun den Fremden und lies wieder und wieder das Korn durch seine Finger rieseln. Der Fremde legte den dritten Beutel, den leeren Beutel auf den Tisch und sagte, »fülle mir diesen Beutel mit Gold und ich will zufrieden sein.«

Raffigayl erschrak, wurde blass und seine Augen verengten sich zu einem Schlitz. »So viel habe ich nicht Fremder. Das kann ich nicht bezahlen! Lass mir etwas nach und ich werde immer Deiner gedenken. Bei jeder Ähre, die ich ernte, werde ich in Gedanken bei dir sein und dich segnen für deine Güte, die du mir gezeigt hast.« Der Fremde überlegte, rieb sich das Kinn, so als könne er dabei besser denken und sagte dann etwas zögerlich, »da bin ich sicher, dass du immer an mich denken wirst, denn so etwas von Getreide ist einmalig auf der Welt. Ein absoluter Kunstgriff, eines der genialsten Dinge unserer Zeit. Es wird dich mit Sicherheit steinreich machen. Aber weil du es bist, hast ja auch viele Kinder, wie ich sehe, will ich dir entgegenkommen. Du wirst mir jedes Jahr einen Sack von diesem Saatgut abkaufen, ja du musst es gerade zu, denn wo anders wirst du es nicht bekommen. Und dafür werde ich den Preis auf ein Minimum herabsetzen. Aber wie gesagt, du musst mir Jahr für Jahr einen Sack des Saatgutes abkaufen, sonnst wird der volle Betrag fällig!«

Bauer Raffigayl war schon nervös geworden. Seine Hände wurden feucht und in seinem Kopf begann sich ein Kreisel zu drehen. Unbedingt wollte er dieses Korn haben, nur ein einziges mal es zur Aussaat bringen. Wenn er das geschafft hätte, hatte er das Korn und brauchte dann diesen Hergelaufenen nicht mehr. Dann hatte er selber genug, um zu sähen. So dachte er es sich aus, bezahlte die Hälfte des zuerst geforderten Preises und besiegelte das Geschäft mit einem kräftigen Handschlag. »Schreib mir eine Karte oder einen Brief, wenn du nächstes Jahr wieder sähen willst«, sagte der Fremde noch unterm Einsteigen in seinen Wagen. Und ein paar Minuten später war er auch schon wieder auf den Weg. Nur eine lästige Staubwolke kündete noch von seinem Besuch. Bauer Raffigayl hüpfte um den Tisch mit dem Getreide herum und führte einen waren Veitstanz auf.

»Das muss doch ein Verrückter sein«, sagte er lachend. »Im nächsten Jahr bin ich reich und habe selber genug Korn, um zu sähen. Eine Karte werde ich ihm schreiben, ja ja, vielleicht von den Bahamas, aber sicher nicht von hier und erst recht nicht wegen neuer Saat.«

- Was der Bauer Raffigayl nicht wusste und ihm der Fremde nur indirekt gesagt hatte, war eine Besonderheit, eine wirkliche Besonderheit an diesem Korn. -

Es wurde also von Raffigayl ausgesät und kein Tag verging, dass er nicht schon morgens in aller Frühe hinausging und nachschaute, ob alles seinen richtigen Gang gehen würde. Prächtig wuchs es heran. Es wuchs wirklich so dicht, das für Unkraut kein Platz mehr war. Eines machte den Bauer Raffigayl aber stutzig. Das Korn war schon einen guten halben Meter, hoch doch das Feld lag da wie tot. Nichts rührte sich im Acker, so wie er es eigentlich gewohnt war. Kein Rascheln einer Maus, kein Surren eines Käfers war zu hören. Nicht einmal die gefräßigen Kornkrähen versuchten herabgefallene Körner aufzupicken. Doch bei näherem Hinschauen stellte er fest, dass nicht ein einziges Korn zu Boden viel. Nun war er sich sicher, er hatte das Ei des Kolumbus gefunden. Kein Korn auf dem Boden, keine Mäuse, keine Krähen, kein Unkraut, keine Pilze, also auch keine Käfer und sonstiges Ungetier - was ja davon lebt. Zufrieden und glücklich kehrte er nach Hause zurück, erntete überreichlich, als es Zeit dazu war, und wurde tatsächlich reich. Natürlich hatte er sich einen gehörigen Teil der Ernte zurückgelegt. Wollte er doch nicht vor lauter Freude über die geerntete Menge leichtsinnig werden, um im nächsten Jahr von dem 'Hergelaufenen' neues Saatgut kaufen zu müssen. Anders als sonnst, wurde der kommende Winter lustiger, freudevoller und das Weihnachtsfest war überhaupt die Krönung, einfach eine rauschende Ballnacht.

Doch bald kam wieder die Zeit der Arbeit, die Zeit der Saat. Dieses Mal ging Bauer Raffigayl jedoch fröhlichen Herzens auf seinen Acker. Wusste er doch, es würde fette Ernte geben und das er im nächsten Winter noch reicher, noch angesehener und vielleicht sogar noch glücklicher sein würde. Was er nicht wusste, war; er hatte ein Korn erworben, was nur ein einziges Mal treibt, nur ein einziges Mal zur vollen Größe heran wächst und damit zur Frucht gereicht. Ein Tatbestand der Unmöglichkeit, biologisch gesehen, aber nicht aus der Warte des Fremden, der ihm ja gesagt hatte, 'du musst, du musst jedes Jahr, sonnst'.... Bauer Raffigayl konnte es nicht glauben, als nach drei, ja nach vier und selbst nach fünf Wochen sich noch nicht einmal der Ansatz eines Wachsens zeigte. Die Saat verfaulte im Boden und wie zur stillen Rache für das vergangene Jahr, wucherte das Unkraut ungewöhnlich hoch, ja es wurde über zwei Meter, bedeckte Raffigayl wie ein drohendes Ungetüm. Verzweifelt ging er nach Hause, gestand sich selbst die Schuld zu, die Saat vielleicht falsch ausgebracht zu haben und zählte seine Bestände. Er musste dieses Jahr und das Nächste leben können, musste für Haus und Hof Sorge tragen und von dem verbleibenden Rest für die Saat einen Teil zurück halten. Sicher würde sie dieses mal aufgehen. Doch Bauer Raffigayl säte sie nie mehr. Keiner der Bauern im Lande säte jemals wieder diese Saat. Sie hatten alle von dem Fremden gekauft, ein jeder hatte dasselbe gedacht wie Raffigayl, - einmal kaufen wir und dann.... - , und es hatten alle und auch alles verloren. Verzweifelt und nun in der Not vereint, suchten sie den Fremden, den 'Hergelaufenen' doch die Goldene Stadt war leer, ja fast tot. Ausgestorben die Paläste der Verwaltungen, die großen Geldhäuser und die kleinen Behausungen. Eine Wolke des Schweigens lag auf der ganzen Goldenen Stadt. Bis sie endlich einen alten Mann fanden, den sie fragen konnten, was geschehen sei und wo die Menschen waren, die diese Stadt bauten und beherrscht hatten, die das ganze Land beherrschten. Man wolle sich beschweren und Wiedergutmachung fordern, sagten sie zu ihm. Der Alte lachte nur und meinte spöttisch, »beherrscht haben die gar nichts. Sie haben nur Geld gemacht. Sie haben sich Patente gekauft und jeden verlacht der keine hatte, haben die Arbeiter, Handwerker, die Mediziner, Politiker und auch euch Bauern damit zum Narren gehalten. Und jetzt ist die Stadt buchstäblich verhungert. Das ganze Land ist am krepieren, weil die Bauern kein Korn mehr liefern. Verhungert ist die ganze Pracht und Herrlichkeit, verhungert an ihren eigenen Patenten.« Raffigayl stand natürlich an der Spitze des Bauernpulkes und bedrängte den alten Mann ihm zu den Fremden zu führen, zu dem 'Hergelaufenen'. Er habe die Schlüssel zur neuen Zukunft, zur neuen Saat.

»Zur neuen Saat?«, wiederholte der Alte mit einem hysterischen Lachen, »es gibt keine neue Saat. Die haben die Kornmotten gefressen, die neue, patentierte Saat. Ja die Motten haben den ganzen Dreck weggefressen, mit samt den dazu gehörigen Patenten, alles weg! Ist dass nicht herrlich!?«

Der Alte drehte sich um und ging mit schlurfendem Gang in eine kleine Gasse. Sein Gelächter war zu einem ohrenbetäubenden Lärm angewachsen und wiederholte sich in Tausenden Echos, die von den Glaspalästen der leeren Goldenen Stadt wieder hallten. Raffigayl versuchte den Alten aufzuhalten, wollte noch mehr wissen, was zu tun sei, doch die Gasse war leer. Ein kalter Schauer überfiel ihn und in stummer, gebeugter Haltung ging er zu seinen Leidensgenossen wieder zurück. Sie wollten alle das Gleiche und hatten alle verloren. Aber nicht nur sie. Auch die Goldene Stadt lag am Boden, ausgehungert, mit Fetzen aus Aktien und Patenten übersät. Aus der Gier wurde Dreck und mit dem Dreck kam der Tod.


In diesem Sinne liebe Nachbarn. Bis zum nächsten Mal, herzlichst ihr tomtom.

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